Archiv für den Monat: Dezember 2006

Rückblick 2006: Brüssel-Informations-Fahrt

Hinter den Kulissen von Europa

bruessel1Ein Dutzend Mitglieder des Pressevereines begaben sich zu einer EU- und NATO-Informationsfahrt nach Brüssel – und trafen dabei den Dalai Lama.

Am Vormittag gibt der Dalai Lama eine Pressekonferenz, am Nachmittag spricht der belgische Premier Guy Verhofstadt vor dem EU-Parlament über die Zukunft Europas. Hinter den Kulissen wird mit Ägypten über Handelsabkommen gefeilscht und mit der NATO über Kompetenzen bei internationalen Friedensmissionen. Mittendrin ein Dutzend Journalistinnen und Journalisten vom Niederrhein, die sich berauschen lassen von internationalem Flair in der Brüsseler EU-Zentrale und dem Stimmengewirr aus über 20 Übersetzerkabinen.

bruessel2Aber was hat EU-Außenpolitik mit Lokaljournalismus zu tun? Dieser Frage spürte der Presseverein Niederrhein-Ruhr an zwei Tagen in Brüssel nach. Die Reise, organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Büro des EU-Parlamentariers Klaus Hänsch, brachte überraschende Einsichten.

Etwa die: Europa ist viel weiter, als daheim wahrgenommen wird. Während in Deutschland die EU-Osterweiterung noch nicht verdaut ist, knüpft Brüssel längst schon Kontakte mit Marokko oder Aserbaidschan, um rund um die EU einen Ring von politischen und wirtschaftlichen Partnern zu bilden. Die neutrale Schweiz ist über ein Dutzend Verträge fest in das EU-Geflecht eingebunden und gilt sogar als Netto-Beitragszahler.

bruessel3Während die EU von daheim aus oft als unübersichtlicher, Geld verschlingender und ineffizienter Moloch wahrgenommen wird, trifft man in Brüssel auf Optimisten, die an einer Vision europäischer Zukunft arbeiten. „Wir vertreten 450 Millionen Menschen in der EU – mehr als in den USA und Russland zusammen leben“, so Ralph Kaessner, Referent beim EU-Ministerrat. Die EU werde künftig politisch und wirtschaftlich eine stärkere Rolle spielen.

bruessel4Doch bei aller Europa-Euphorie: Warum nehmen die Akteure in Brüssel die Menschen in ihren Mitgliedsstaaten so wenig mit? Darum drehte sich auch die Diskussion mit dem Düsseldorfer EU-Abgeordneten Klaus Hänsch (SPD), 1994 bis 1997 Präsident des Europäischen Parlamentes. Während die EU-Politiker gerne beklagen, mit ihren Themen in den Heimatredaktionen kein offenes Ohr zu finden, verlangte die Journalistenrunde vom Niederrhein nach mehr Impulsen.

Denn EU-Themen wie Wirtschafts- und Verkehrspolitik, der Kampf gegen organisierte Kriminalität oder die Zukunft der Energieversorgung, lassen sich problemlos und spannend auf die lokalen Verhältnisse herunter brechen. Die alte angelsächsische Regel „all politics is local“ gilt auch auf EU-Ebene. Fazit: Hier können Presse und Politik mehr aufeinander zugehen und voneinander lernen.

bruessel5Die Bilanz nach zwei Tagen Brüssel war einhellig: Es hat sich mehr als gelohnt, über den lokalen Tellerrand hinaus zu schauen und sich den Kopf frei blasen zu lassen. Bei nächster Gelegenheit wollen die beteiligten Journalistinnen und Journalisten den Austausch auf anderer Ebene – zum Beispiel mit der Bundespolitik – fortsetzen.

© 2006 Michael Jung

Rückblick 2006: Journalisten-Treff mit Franz Alt

Ein Prediger bei den Akzenten
Gut zweihundert Zuhörer kamen in die Zentralbibliothek, um Franz Alt, den ehemaligen TV-Journalisten und Ex-„Report“-Chef zu erleben.

franzaltEs war schon früher ein Vergnügen, den TV-Journalisten Franz Alt zu erleben. Damals als er noch regelmäßig auf der Mattscheibe erschien, wo er mit spitzbübischem Lächeln, wortgewaltig und streitbar, aus Baden-Baden das ARD-Magazin „Report“ moderierte. Und für Meinungsvielfalt in betonierter TV-Einfalt sorgte.

Am Dienstag Abend konnte man ihn zwei Stunden lang in der Zentralbibliothek erleben. Dort war er auf Einladung des Vereins für Literatur und Kunst und des Pressevereines Niederrhein-Ruhr zu Gast bei den „Akzenten“. Und gut zweihundert Zuhörer kamen herbei, um sich selber ein Bild zu machen von einem Mann, den sie bislang nur von Bildern kannten.

Der Christenmensch und studierte Theologe, mittlerweile 68 Jahre alt und nicht mehr fest in Diensten des Fernsehens, aber regelmäßiger Gast auf Kirchentagen, nachgefragter Vortragsreisender links und rechts des Äquators, Prediger in Sachen „Schöpfung bewahren“, hatte keine Mühe, sein Publikum zu faszinieren. In Windeseile, oder sagen wir besser „in Windeskraft-Eile“.

Stefan Endell begrüßt die Gäste des Journalisten-TreffsVordergründig ging es um sein neues Buch „Eine bessere Welt ist möglich – Ein Marshallplan für Arbeit, Entwicklung und Freiheit“, das er zusammen mit Rupert Neudeck und Rosi Gollmann geschrieben hat. Hintergründig ging es um alles; um unser (Über-)Leben auf diesem Planeten, um einen fairen Ausgleich zwischen Arm und Reich, um die Fähigkeit sich zukunftsfähig zu machen. Täglich, so Alt, sterben auf der Welt 26 000 Kinder an Unterernährung, aber in Deutschland streitet man über das Dosenpfand, baut VW den benzinfressenden, idiotischen „Phaeton“ und der Bundesbürger jammert und jammert und macht Bürgerinitaitiven gegen die Windkraft, weil die Räder so hässlich seien. Deutschland liegt in „Oberjammergau“ wie Franz Alt spottete.

Beispiel: Die Energiefrage. „Es gibt kein Energieproblem auf die Welt, wir haben nur ein Brett vorm Kopf, wir kaufen teures Erdöl und wir ignorieren die Sonne, die Erdwärme, die Biomasse, Wind und Wasser. Energie ist im Überfluss da, wir müssen sie nur nutzen.“Zwei Stunden dauerte die Altsche Öko-Politik-Moral-Predigt. Am Ende war das Publikum total erschöpft und doch erfrischt zugleich.

© 2006 Stefan Endell