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Duisburger Journalistentreff im Stadtfenster mit Petra Gerster und Christian Nürnberger

Mehr als nur Nachrichten: Seriöse Journalisten vermitteln Zusammenhänge
Von Petra Grünendahl

Von links: Christian Nürnberger und Petra Gerster mit Moderator Thomas Münten beim Journalistentreff des Presseverein Niederrhein-Ruhr in Duisburg. Foto: Petra Grünendahl.
„Wir waren die ‘Gatekeeper’, die die Flut an Nachrichten gefiltert, moderiert und eingeordnet haben”, erklärte die ehemalige „heute“-Moderatorin Petra Gerster. Mittlerweile verbreiten sich Nachrichten in den sozialen Medien sehr viel schneller, oftmals ohne durch einen solchen Filter zu gehen: Jeder kann „Nachrichtensender“ werden. So verbreiten sich Fake News ebenso wie Hetze oder schlichtweg Falschinformationen in Windeseile. Allzu häufig zu Empfängern, die in ihrer „Blase“ weder eine Richtigstellung erfahren noch mit gegensätzlichen Ansichten konfrontiert werden. „In Krisen haben wir viele Fernsehzuschauer zurück geholt zu den Öffentlich-Rechtlichen und zu seriöser Berichterstattung“, erzählte Gerster. „Journalisten sind nötiger denn je, um die Nachrichtenflut kompetent einzuordnen“, bestätigte auch Buchautor und Publizist Christian Nürnberger. Die sozialen Medien sorgten dafür, dass Menschen immer nur mit ihrer eigenen Meinung gefüttert werden. Damit manipuliere Facebook Meinungen und radikalisiere Nutzer, erklärte der Autor. Für die klassischen Medien, so meinte er, führe dennoch kein Weg an den sozialen Medien vorbei: „Dort erreichen sie ein Publikum, das keine Zeitung liest und nicht Fernsehen guckt.“ Nötig wäre, so Petra Gerster, Medienkompetenz in der Schule fördern: „Demokratie lebt davon, dass es die vierte Gewalt gibt, die filtert, einordnet und die Zusammenhänge vermittelt.“

 

Von links: Christian Nürnberger und Petra Gerster beim Journalistentreff des Presseverein Niederrhein-Ruhr in Duisburg. Foto: Petra Grünendahl.
Der Presseverein Niederrhein-Ruhr hatte in Kooperation mit der Stadtbibliothek Duisburg zum Journalistentreff eingeladen. Zum Thema „Ernsthaft? Wie sich Nachrichten und ihre Wahrnehmung verändert haben“ führte Thomas Münten, Vorsitzender des Ortsvereins, ein Gespräch mit der ehemalige „heute“-Moderatorin Petra Gerster und ihrem Mann, dem freien Autor und Publizisten Christian Nürnberger. Petra Gerster volontierte nach dem Studium beim Kölner Stadtanzeiger und moderierte später die Aktuelle Stunde im WDR, bevor sie zum ZDF wechselte: Zehn Jahre lang moderierte sie das Frauenmagazin Mona Lisa, von 1998 bis Mai 2021 war sie dann als Hauptmoderatorin der „heute“-Nachrichten um 19 Uhr zu sehen. Christian Nürnberger war Physiklaborant, vier Jahre bei der Bundeswehr und studierte vier Semester evangelischen Theologie, Philosophie und Pädagogik. Dann absolvierte er die Henri-Nannen-Schule (Journalistenschule) und begann seine journalistische Laufbahn als Lokalreporter bei der Frankfurter Rundschau. „Zwei spannende Menschen“, versprach Thomas Münten vor der Podiumsdiskussion im Café der Stadtbibliothek. Nach der Geburt des ersten Kindes übernahm Nürnberger den Haushalt und Kinderbetreuung, lange bevor die Elternzeit auch für Männer hoffähig wurde. „Ich dachte damals, ich könnte Bücher schreiben, wenn die Kinder schlafen. Aber es hat dann Jahre gedauert, bis es so weit war“, erzählte der Publizist.

 
Sprache spiegelt Veränderungen in der Gesellschaft
Bücher schreiben die Beiden auch immer wieder gemeinsam. Ihr neuestes Buch „Vermintes Gelände“ beschäftigt sich mit der Sprache und wie sie das Bewusstsein der Gesellschaft und ihren kontinuierlichen Wandel abbildet. Nachdem Gerster als Moderatorin schon immer beide Geschlechter angesprochen hatte, fing sie in den letzten Monaten als „heute“-Moderatorin an zu gendern: So weit, so gut. Erst als die taz darüber berichtet hatte, brach ein Shitstorm los, der sie mit Hass-Mails und Drohbriefen konfrontierte. „Die Gesellschaft hat sich geändert und das müssen wir in der Sprache transportieren“, betonte Gerster. Jetzt werde auch über Dinge geredet, die früher kein Thema waren: „Dass Worte Menschen verletzen, wie zum Beispiel ‚Zigeuner’ die Sinti und Roma“, erklärte Nürnberger. Man solle Worte auch aus der Perspektive des anderen sehen und sich bewusst machen, welche Wörter problematisch sein können: „Das ist aber kein Grund, mit Hass zu reagieren“, so Nürnberger.
Gerster kritisierte, dass sich die Vielfalt der Gesellschaft nicht überall widerspiegle: Im Fernsehen kämen als Experten Menschen zu Wort, die immer noch überwiegend weiß und männlich seien, obwohl die Gesellschaft und damit auch die Fachwelt weiblicher und sehr viel diverser geworden sei: „Mehr Recherche ist nötig, wer noch kompetent Auskunft geben kann: Damit nicht immer nur die gleichen Männer vor der Kamera stehen.“

 
© 2021 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl

Duisburger Journalisten laden ein zur kleinen Talkshow ins Stadtfenster

Journalistentreff: Vom Informationsradio zur Dudelwelle – geht Radio nur noch so?

Auf dem Podium beim Journalistentreff (v. l.): Tom Hegermann, Uwe Schulz und Moderator Thomas Münten. Fotos: privat.
Uwe Schulz und Tom Hegermann zählten zu den bekanntesten Stimmen des WDR. Jahrzehntelang haben sie den Sound von WDR 2 als Moderatoren mitgeprägt. Auf der Bühne in der Stadtbibliothek im Stadtfenster präsentiert der Fernsehjournalist Thomas Münten, Vorsitzender des DJV (Deutscher Journalisten-Verband) in Duisburg, im Gespräch die Radiojournalisten und Moderatoren Uwe Schulz und Tom Hegermann.

Beide haben sich freiwillig von der beliebtesten Hörfunkwelle des WDR, WDR 2, verabschiedet. Über ihre Beweggründe, was das Radio heute anderes ist als noch vor zehn Jahren und wohin der Weg des Radios führt, aber auch, wie Journalisten mit den „Lügenpresse“-Vorwürfen umgehen können, was Fake News und ihre Akzeptanz in der Gesellschaft verändern, reden beide beim Journalistentreff des DJV Ortvereins Duisburg, zu dem alle interessierten Bürger herzlich eingeladen sind.

Der Presseverein Niederrhein-Ruhr, DJV-Ortsverein in Duisburg, lässt mit dem Journalistentreff eine Veranstaltung wieder aufleben, die auf viele Jahre Tradition in der alten Stadtbibliothek im Europa-Haus zurückblicken kann. Im Januar 2012 hatte der letzte Journalistentreff stattgefunden. Am Freitag, 19. Januar, macht der DJV Duisburg um 20 Uhr auf der Bühne der Stadtbibliothek im Stadtfenster an der Steinschen Gasse einen neuen Anlauf. Karten sind in der Zentralbibliothek zum Preis von 5 Euro erhältlich. Während der Veranstaltung sorgt das Cafe der Bibliothek für Getränke und Snacks.

Tom Hegermann

Tom Hegermann. Foto: privat.
Geboren 1960 in Duisburg. Hegermann studierte Politik, Geschichte, Amerikanistik und Journalismus an der Gesamthochschule Duisburg und der American University in Washington D.C. 1984 begann er als freier Journalist. Erst hat er geschrieben. Dann gesprochen. Schließlich moderiert. Denn je länger er als Journalist gearbeitet hat, desto spannender fand er das Gespräch, das Live-Interview mit Politikern und Managern. Mit Wissenschaftlern und Entdeckern. Mit Wortkargen und Wortgewaltigen. Mit Introvertierten und Extrovertierten. Genau das ist inzwischen in vielfacher Hinsicht sein eigentlicher Job. Er bringt Menschen miteinander ins Gespräch. Und bringt Menschen bei, wie das geht, die Kommunikation in der Öffentlichkeit. Und ab und an macht er auch noch ein wenig Radio. Nach vielen Jahren bei WDR 2 jetzt bei WDR 5. In der Wirtschaftssendung Profit.

Uwe Schulz

Uwe Schulz. Foto: privat.
Aus´m Revier ins Radio. Bei der Schülerzeitung „Zentrifuge“ am Gymnasium Bergkamen entdeckte Uwe Schulz seine Leidenschaft für den Journalismus. Heute ist er Moderator bei WDR 5 – und fühlt sich beim Radio sichtlich wohl. Er tut das, was er eigentlich nie tun wollte und erzielt sogar noch treffliche Erfolge damit: Irgendwann stellte er dann fest, dass das, was er da schreibt, auch anderen Spaß macht und gefällt. Nur zum Radio, das wollte er nie. Das Entscheidende war, dass sein Weg in den Journalismus ihn über das Studium führen sollte. Schulz, dessen größtes Hobby seine Ehefrau ist (die hat kurioserweise zwei Jahrzehnte fast direkt neben seinem Elternhaus in Bergkamen gewohnt und dennoch sind sich die beiden damals nie über den Weg gelaufen), ist bekennender Shopping-Mann, der auch gerne durch die Kerzenabteilung bei Ikea schlendert. Hat er Zeit, macht er gerne alles zwischen „gammeln und Lieblingsfilme gucken“, steigt aufs Mountainbike oder liest – am liebsten sachorientierte Bücher. Er ist außerdem „ein Kind lutherischer Prägung und ein Fan von Dietrich Bonhoeffer.“ Schulz ist auch als Autor des Bestsellers: „Nur noch eine Tür: Letzte Gespräche an der Schwelle des Todes“ erfolgreich.

Thomas Münten. Foto: privat.
Gastgeber ist der Vorsitzende des Pressevereins Niederrhein-Ruhr, Ortsverein des DJV in Duisburg, Thomas Münten. Er absolvierte sein Volontariat bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), und wechselte 1990 im Anschluss daran zum Lokalfunksender Radio K.W. Bereits 1991 wurde er Chefredakteur von Radio EN. 1994 wechselte Münten zum WDR-Fernsehen in Düsseldorf, moderierte von 2000 bis 2004 die Lokalzeit Bergisch Land und arbeitete bis 2009 für die Aktuelle Stunde. Im März 2009 ging er zum ZDF: Dort arbeitet er für das Landesstudio Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Weitere Tätigkeiten erfolgen beim Fernsehmagazin Frontal21 in Berlin. Im August 2017 deckte Münten gemeinsam mit Heiko Rahms, Ulrich Stoll und dem Recherchenetzwerk CORRECTIV auf, dass der Parteivorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, während des Landtagswahlkampfes in Baden-Württemberg erhebliche Parteispenden aus der Schweiz angenommen hat, ohne sie anzugeben und darüber gegenüber der Organisation „lobbycontrol“ und der Bundespressekonferenz gelogen hatte. Münten ist als Gastdozent für investigativen Journalismus an der Universität Passau tätig.

Rückblick 2003: Journalisten-Treff mit Gerd Ruge

ruge1_579Gerd Ruge … unterwegs in Duisburg
Von Sonja Volkmann NEUE RUHR ZEITUNG, 20. Februar 2003

Gerd Ruge – ein Name, der seit Jahrzehnten für feinste journalistische Analyse und bewegende Reportagen steht. Unzähligen Fernsehzuschauern hat der bekannte „TV-Dino“ bereits Einblicke in die Wohnzimmer russischer Dorfbewohner oder die Cafes von Pristina gewährt. Jetzt war der mittlerweile 74-jährige Ausnahmejournalist zu Gast beim ersten „Journalisten-Treff“ in der Duisburger Zentralbibliothek an der Düsseldorfer Straße.

Mit Ruge als prominentem Gesprächsgast hatte der Presseverein Niederrhein Ruhr einen fulminanten Auftakt zu dieser neuen Talk- und Vortragsreihe. Etwa 150 Zuhörer – die meisten von ihnen Nichtjournalisten – lauschten gebannt den Erzählungen Ruges.

ruge_2Zwar etwas nuschelnd, aber einfühlsam, bildhaft und zuweilen mit einem Schuss gut verträglichem Humor schilderte der ehemalige China-, Russland- und Amerika-Korrespondent, Chefredakteur und Redaktionsleiter packende Erlebnisse von seinen zahlreichen Auslandsreisen. WDR-Moderator Thomas Münten entlockte dem Fernseh-Urgestein auch so manche interessante Kleinigkeit. „Es war schon eine schwierige Art zu arbeiten, aber sehr spannend“, erinnerte sich Ruge an seine Anfangszeit in Moskau in den 50er Jahren, als der KGB jeden seiner Schritte verfolgte.

ruge_3Angst habe er schon oft gehabt, erzählt er. Aber nicht um sich. Er habe das jeweilige Land schließlich immer verlassen können. Vielmehr habe er sich um seine Kollegen gesorgt, die im Lande bleiben mussten. „Eine bewegende Zeit“, sinnierte der Dinosaurier der Auslandsreportage.

ruge_4Gerd Ruge hat im Laufe seiner Berufsjahre wahrlich viel gesehen. Not, Elend, Leid und Tod. Aber auch die kleinen, die schönen Momente. In den zwei Stunden in Duisburg hat er davon nur einen klitzekleinen Ausschnitt erzählen können. Den Zuhören zeigte sich der Journalist im Ruhestand, der „als Rentner versagt hat“, wie es in dem kleinen Eingangsfilm gesagt wurde, als ein sympathischer, weltoffener Reisender. Ein Reisender, dem daran liegt, dass seine Zuschauer verstehen, was in den Ländern, die er besucht hat, und hauptsächlich mit den Menschen dort geschieht.

ruge_5Der „Journalist der alten Schule“ hat „seinen“ Gästen ein Stück jener magischen Leidenschaft gezeigt, von der Stefan Endell, Vorstandsmitglied des Pressevereins, in seiner Begrüßung gesprochen hatte. Eine Leidenschaft, aus „dem Beruf nicht rauszukommen“, wie Ruge sagt. Eine Leidenschaft, wegen der es abends keinen Feierabend gibt. Und eine Leidenschaft, die den Vollblutreporter auch heute noch umtreibt, die auf jeden Film, der eigentlich der letzte sein sollte, einen neuen folgen lässt. Seine neuesten Erkundungen zeigt die ARD kurz vor Ostern. Dieses Mal war Ruge in Afghanistan. „Es hat mich irgendwie interessiert, was da passiert.“ So einfach ist die Erklärung dafür, dass der Ruheständler nicht zur Ruhe kommt.

© 2003 Sonja Volkmann